Das Wort «Guggenmusik»
Der Begriff taucht erstmals 1906 auf. Er scheint damals sofort verstanden worden zu sein,
denn niemand
stellte
die Frage, was denn
eine Guggenmusik
wirklich sei und – vor allem – was eine «Gugge» mit der Musik zu tun habe. In
Basel und im benachbarten
Südbaden versteht man
nämlich darunter einen «Briefsack», eine Papiertüte,
Sie hatte früher meist eine konische Form und erinnert an ein Blashorn.
Haben die ersten Guggenmusikanten in
Papiertüten geblasen?
Der Journalist Hans Schneider, in der
deutschen Nachbarschaft von Basel aufgewachsen,
meinte in einer Kolumne, dass das Wort daher komme, «wilme als Chinder gärn in Gugge blose het». Dass man
damit einen Lärm erzeugen kann, zeigte vor
einigen Jahren die «46er Guggemuusig» als
Gag auf ihrem Dienstagszug. Ist wegen dieser Art von Instrumenten oft auch die
Rede von «improvisierten Musiken»? Dass Guggenmusikanten als Geräuscherzeuger oft die unglaublichsten Dinge verwenden, dürfte
bekannt sein. Merkwürdige Geräte muss auch jene Musik 1932 verwendet haben, von der es heisst, man habe «mindestens eine Hupe deutlich»
herausgehört. Während am Morgenstreich 1938 Guggenmusiken gesehen wurden,
die «nicht nur mit Kartoninstrumenten» bestückt waren, lesen
wir 1953 in einer Reportage: «Wenn man d’Guggemuusig Pumperniggel
aufmerksam betrachtet, so ist man über die ungewöhnliche Instrumentierung erstaunt … Blech, nichts
als Blech, sogar verbogenes.
Es sei auch erwähnt,
dass man den Diminutiv von «Gugge», also «Güggli», in Liestal für ein schlecht tönendes
Kindertrompetchen
kennt, wie man
sie z.B. auf dem
Markt kaufen kann. Als «Güggi» wird im
Baselbiet ausserdem ein «Schreihals, Lärmer; schlechter
Trompeter» bezeichnet.
In einer anderen Richtung zielt die Namendeutung von Hans
Dürst, der eine einstige Maskierung der Musik mit bemalten Papiertüten vermutete.
Eine Herleitung von dieser Vermummungsform, die bei der Kinderfasnacht noch
heute lebendig ist, wäre durchaus denkbar, etwa im Falle, dass die erste
Guggenmusik so aufgetreten ist und dann den Namen, aber nicht die Sache
beibehalten hat. Persönlich neige ich jedoch zur Auffassung, dass die Instrumentierung
der Musik zu ihrem Namen verholfen hat.
Instrumentierung und Repertoire
Wie eine Guggenmusik genau, d. h. wie «falsch» sie zu
spielen hat, ist eine Frage, bei der die Meinungen nicht nur zwischen Basel und
den andern «Guggenhochburgen» unseres
Landes, sondern auch in Basel seit langem auseinandergehen. Da lesen wir die
Klage, dass in einer Guggenmusik zehn bis fünfzehn Mann überhaupt kein
Instrument spielen und deshalb nicht mehr an die Fasnacht gehören, dort wird
gemeldet, dass die Guggenmusiken «zum Teil fast zu
gut gewesen sind. Es waren weit mehr Musikvereine als Guggemuusigen».
Häufig begegnet man auch dem Hinweis, dass die
Guggenmusiken noch bis nach dem Zweiten Weltkrieg oft sehr kleine Formationen
waren. Etwa in folgender Impression über «Bubenzüglein» am
Dienstagnachmittag: «Die fidelsten ‹Kinder› waren –
Grosse: Ein paar Männer, die sich in älteste Fetzen gehüllt hatten und zu einem
Blechbüchsen-Getschätter, zu den mysteriösen Klängen zweier Zithern und einer
Trompete das Kleinbasel zum Lachen brachten».
Ich habe oben schon auf die improvisierte Instrumentierung
hingewiesen, die aus den verschiedensten Dingen bestehen kann.
Gewisse Musiken richten bis heute ihr besonderes Augenmerk auf ein Überwiegen
von selbstgebastelten oder immerhin verbeulten Musikinstrumenten. Gerade für
letztere besteht seit langem ein besonderer Markt. Schon für die dreissiger
Jahre sind Musikalienhändler bekannt, die alte
Instrumente für die Fasnacht ausleihen.
Zum Repertoire haben wir für die Zeit vor dem 2.
Weltkrieg leider nichts Konkretes, wenn wir vom früher erwähnten
Chopin-Trauermarsch und dem Zapfenstreich absehen. Aufgrund der Gruppenbezeichnungen
und der Sujetangaben darf aber für die zwanziger und dreissiger Jahre angenommen
werden, dass auch Jazz-Musik zur Darbietung kam. Aus dem Jazz und aus der Schlagerwelt stammen auch viele Stücke, welche die Guggenmusiken seit 1946 spielen, wie «When the saints go marchin› in», «Sam-Sam, Tam-Tam», «Ein Schiff wird
kommen» oder
«Annemarie», um einige ältere Titel zu nennen. Auch aus dem Volksliedschatz wird geschöpft: «Z Basel a mym Rhy», «Alle Vögel sind schon da» und «Im Aargau sind zweu Liebi». 1967 umfasste das Repertoire ca. 30 bis 35 Titel, und zwar französische Fanfarenmärsche, sonstige Märsche und Schlager, aber ausdrücklich keine Kirchen- und Vaterlandslieder. «Gute» Guggenmusiken, das sind Gruppen,
die anspruchsvolle Stücke «gekonnt falsch» spielen, haben heute gegen 70 Titel im Repertoire, wobei ein Schlager
wie «Mir sinn mit em Velo do / Gloryland» als eher bescheidenes Stück von einer Guggenmusik höchstens einmal «zum Ausruhen» gespielt werde.
Quelle: Schweizerische Gesellschaft für Volkskunde