Einleitung
Umzüge mit Lärmgeräten sind im Volksbrauch eine geradezu
weltumgreifende Erscheinung. In unserem Kulturkreis kennen wir Lärmzüge
vernehmlich bei Winter- und Frühlingsbräuchen sowie als Mittel der
knabenschaftlichen Volksjustiz. Unter Begriffen wie «Tschättermusik», «Katzenmusik»
und «Charivari» sind improvisierte Musikgruppen in unserem Lande seit langem
bekannt. Die älteren Begriffe werden in unserem Jahrhundert grösstenteils
abgelöst durch das Wort «Guggenmusik» bei gleichzeitiger Veränderung des
Klangkörpers. Der neue Begriff und mit ihm grösstenteils auch die Sache scheint
von Basel aus verbreitet zu haben.
In der Stadt Basel existiert vor dem Auftauchen des Wortes «Guggenmusik»
offensichtlich kein einheitlicher Begriff für eine kakophonisch spielende
Musikgruppe. Für zwei benachbarte Baselbieter Gemeinden ist die «Katzenmusik»
belegt, wie wir später sehen werden. So wird 1904 aus Muttenz berichtet: «Von
dem hässlichen Morgenstraich mit seinem katzenmusikartigen Lärmen war diesmal
nichts zu merken». Eine nächtliche Katzenmusik veranstalteten 1888 etwa
dreissig Allschwiler Altkatholiken, nachdem ihr Sieg bei den Gemeindewahlen
festgestanden hatte: Sie zogen mit Pechfackeln, Trommeln, Pfannendeckel und
Kuhglocken lärmend vor jedes römisch-katholische Haus. Es sei nicht verschwiegen,
dass es in der Nacht nach dem Herrenfastnachtssonntag geschah: Die Instrumente
hatte man ja ohnehin in Griffnähe!
Streicher und Bläser
Obwohl dies viele «echte» Basler Fasnächtler nur mit Mühe
glauben wollen, gehören andere Instrumente als die Trommel und das auch erst im
letzten Jahrhundert an der Fasnacht belegbare Piccolo seit langem zu Basler
Fasnacht. Im Basler Kupferstichkabinett wird eine getuschte Federzeichnung von
Niklaus von Riedt aus dem Jahre 1589 aufbewahrt, die einen Fasnachtsumzug mit
einem Lautenspieler und einer Posaunistin wiedergibt. Wohl noch vor 1800 wurde
eine im Historischen Museum Basel befindliche lavierte Tuschzeichnung
angefertigt: Sie zeigt auf dem Münsterplatz einen Fasnachtsumzug, auf die
Revolutionswirren von 1798 anspielend, und lässt hinter den Tambouren eine
Musikantengruppe mit Instrumenten wie Fagott, Horn, Trompete, Violine und Pauke
erkennen.
Von einem politischen Fasnachtsulk auf Kosten des Basler
Staatsmannes Peter Ochs hören wir 1803: «Auf dem Petersplatz begrub man unter
Waldhornfanfaren einen Ochsenkopf samt grün-rot-gelben Konkarden und deutete
damit symbolisch das Ende des helvetischen Einheitsstaates an. Die Farben der
Kokarde entsprachen der Trikolore der Helvetik.
Dem Reiseschriftsteller Gottlob Heinrich Heinse (1766-1812)
verdanken wir in seiner ausführlichen Schilderung des Fasnachtsgeschehens im
Jahre 1809 die Mitteilung, dass der Zug von einem «Chor Berghoboisten» eröffnet
wurde und dass ferner berittene Trompeter dabei waren. Wenigstens von
Alphörnern war die Rede bei einem folkloristischen «Älplerzug» am
Fasnachtsmontag 1812. Die sich in nichts von damaligen historischen Festumzügen
unterscheidenden Fasnachtszüge de 19. Jahrhunderts haben selbstverständlich
immer auch Musiken dabei. Einer der frühesten Züge ist dargestellt auf einer
kolorierten Radierung von 1820, der dem Thema «Brautzug des Grafen Otto von
Thierstein und der Katharina von Klingen anno 1376» gewidmet war. Das Bild
zeigt unter anderem berittene Fanfarenbläser und eine Musik mit Bläsern und
Streichern auf einem Wagen.
Eher fasnächtlich im heutigen Sinn wirkt au einer
Lithographie von 1845 (Bild unten) die kleine Musikgruppe mit Pauke, Becken,
Horn und Schalmei, welche einer Tambourengruppe folgt. Richtige Blechmusiken
sind unter anderem bezeugt an den Fasnachtszügen 1835, 1841 und 1853, die aber
vermutlich seriös spielten. Wenn wir der bekannten Morgenstraich-Darstellung
von Hieronymus Hess für das Jahr 1843 Glauben schenken dürfen, kamen damals
Blechinstrumente, wohl Fanfaren, zum Ertönen. Aus einem «Karneval-Bericht» von
1852 erfahren wir Details über «Gruppen, die den Morgenstraich
zusammentrommelten, pfiffen, trompeteten und Schrieen». Unter anderem ist die
Rede von einer «Janitscharen-Musik, gekleidet in Schlafrock und Zipfelkappe»
mit Trompeten und Pauken, und von «Schnurranten» mit «Piccolo und Bombardon,
Kornet und Pauke»
Womit an der Basler Fasnacht Lärm erzeugt wurde, zeigt die
ab 1869 in der Presse publizierte «Polizeiliche Bekanntmachung betreffend die
Fasnacht», wo es unter Artikel 1 heisst: «Montags und Mittwochs darf vor 4 Uhr morgens
nicht getrommelt und in keiner Weise gelärmt werden. Ebenso ist Lärm mit
Hörnern, Klapperinstrumenten, Geschellen und dergleichen untersagt». Um 1870
lesen wir in den Fasnachtsberichten wiederholt vom nachmittäglichen Mitwirken
einer «humoristischen Zukunftsmusik, die mit ihren Produktionen die
Aufmerksamkeit auf sich zog». Wie Inserate von Bierwirtschaften der ganzen
Regio zeigen, handelt es sich dabei um eine Musikgruppe, die auch ausserhalb
der Fasnacht unter anderem mit «komischen Couplets» für
sonntagsnachmittägliche, «komische-musikalische Unterhaltung» besorgt war.
Ob wir uns darunter tatsächlich einen Vorläufer heutiger
Guggenmusiken vorstellen dürfen, kann ich nicht entscheiden. Solange nichts
Näheres zur Instrumentierung und Stil bekannt wird, gilt dasselbe auch für die
vor 1872 existierende «Kontingentenmusik», etwa auch «Waschweibermusik»
genannt, eine «musikpflegende Fasnachts-Clique», deren Mitglieder zum Teil an
der Gründung des Basler Musikvereins beteiligt waren.
Quelle: Schweizerische Gesellschaft für Volkskunde